Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins — 1908-1909

DOI Artikel:
Lotter, Carl: Die Markuskirsche zu Stuttgart
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7712#0023
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
18

Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins.

den vom Baumeister vorgeschriebenen Farbennüancen eigens durch die
„Vereinigten "Werkstätten für Kunst und Handwerk" in München hergestellt.

Altar, Kanzel und Taufstein sind in einer Linie unter dem Chorbogen
angeordnet. Vom Schiff aus gesehen ist links vom Altar und Chorbogen die
in der Intarsien- und Schnitzarbeit von Karl Spindler ausgeführte Kanzel
aufgestellt. Ihren Hauptschmuck bilden drei in die Kanzelbrüstung ein-
gelassene Füllungen mit Reliefintarsien; sie sind nach den von Kunst-
maler Rud. Yelin entworfenen und von Zeichenlehrer Hoß an der Kunst-
gewerbeschule modellierten Vorlagen in feinster Farbenzusammenstimmung
der verschiedensten Naturhölzer von Spindler in künstlerischer Vollendung
hergestellt. In sinniger Weise ist hier der zur Darstellung gebrachte Bilder-
stoff: der Sämann, der Schnitter, sowie der Herr und Knecht am Feigenbaum,
in naheliegende Beziehungen zu dem Predigtwort gebracht.

Mit der vor allem bei der Kanzel in Betracht kommenden Frage der
Akustik hat sich Dolmetsch von jeher viel beschäftigt, und es ist ihm
gelungen, einen sehr bedeutenden Erfolg zu erzielen und durch einen, von
ihm erfundenen und ihm patentierten eigenartigen Verputzüberzug ,,Auris"
genannt, dem störenden Widerhall entgegenzuwirken. Dieser, je nach Belieben
mehr oder weniger rauh, aus dicht aneinander gereihten Korkstückchen
gebildete Flächenüberzug an Decken und Wänden erweist sich auch in
ästhetischer Beziehung als sehr vorteilhaft. Daneben ist allem, was der
Akustik förderlich oder hemmend, entweder durch Schallabschwächung oder
durch Schallablenkung oder durch Schallverstärkung, sorgfältige Beachtung
geschenkt, so bildet die mit kleinen Oeffnungen durchbrochene hölzerne Rück-
wand der Kanzel mit dahinter befindlichem Hohlraum, eine Art Resonanzkasten,
der Schalldeckel der Kanzel zeigt statt einer Wölbung nach oben eine solche
nach unten und ist die schiefe Wölbung der Fläche so bemessen, daß die
Schallwellen von hier aus sich bis zum hintersten Platz auf der Empore
fortpflanzen.

Rechts vom Altar und Chorbogen befindet sich als Gegenstück zur Kanzel,
in neuartiger Aufstellung, der aus der Künstlerwerkstätte von Erfort & Wüst
hervorgegangene Tauf stein. Er steht in der Mitte eines kleinen, mit einer
geschnitzten Holzbrüstung umgebenen Podiums.

Die dahinter befindliche, mit Muschelkrönung abgeschlossene Rückwand-
nische mit Aufsatz, ist ähnlich wie die Kanzel mit Intarsien und sinnvollen
Schnitzereien geschmückt. Das in den Taufstein flach eingelassene, ovale
Metallbecken, auf dem die prächtigen, nach Entwurf von Dolmetsch von
Ziseleur A. Gauger in Silber getriebenen und vergoldeten, mit edlen Steinen
geschmückten Taufgeräte bei der Taufhandlung aufgestellt werden, ist
für gewöhnlich mit einem gleichfalls von Gauger angefertigten, in Kupfer
getriebenen Deckel bedeckt. Dieses, mit Fischen und allerlei Wasserpflanzen
und Getier gezierte Meisterwerk, ist von der gelungenen Statuette des Täufers
Johannes gekrönt, welche in Bronze gegossen von der Künstlerhand Kiemlens
herrührt.

Dem Chor gegenüber erhebt sich als Fortsetzung des Mittelschiffs nach
der östlichen Seite eine dreizehn Sitzreihen tiefe Empore, unter der ein
geräumiger Betsaal gelegen, der für gewöhnlich zum Hauptraum der Kirche
zugezogen, zugleich den Haupteingang an der Schmalseite der Kirche
 
Annotationen